Betriebsübergang

 

Die maßgeblichen gesetzlichen Grundlagen des Betriebsübergangs sind auf Europäischer Ebene die RL 2001/23 und auf nationaler Ebene § 613 a BGB.

 

Wann liegt ein Betriebsübergang vor?

Der Anwendungsbereich der RL erstreckt sich auf alle Fälle, in denen aufgrund vertraglicher Beziehungen die natürliche oder juristische Person, die die Arbeitgeberverpflichtung wahrnimmt wechselt. Dabei kommt es nicht darauf an, ob das Eigentum an den Betriebsmitteln wechselt (EuGH 26.11.2015, C-509/14, NZA 2016, 31). Dabei ist entscheidend, dass der Übergang eine ihre Identität bewahrende wirtschaftliche Einheit im Sinne einer organisierten Zusammenfassung von Ressourcen zur Verfolgung einer wirtschaftlichen Haupt- oder Nebentätigkeit betrifft. Diese Beurteilung ist nur in einer Gesamtschau möglich, wobei es maßgeblich auf folgende tatsächlichen Umstände ankommt:

  • Art des betreffenden Unternehmens oder Betriebes
  • Etwaiger Übergang der materiellen Betriebsmittel wie Gebäude
  • Wert der immateriellen Aktiva
  • Etwaige Übernahme Hauptbelegschaft
  • Übergang der Kundschaft
  • Ähnlichkeit der Tätigkeit vor und nach dem Übergang

Wird nach den Vereinbarungen keine Belegschaft übernommen, steht dies der Anwendbarkeit der RL dennoch nicht entgegen, sofern es sich bei der Tätigkeit der maßgeblichen Einheit um eine solche handelt, bei der es im Wesentlichen nicht auf die menschliche Arbeitskraft ankommt. Dies ist u.a. dann der Fall, wenn für die Ausübung der Tätigkeit der Einsatz von Ausrüstungsgegenständen von erheblichem Wert erforderlich ist, wie z.B. Räumlichkeiten und Kräne (EuGH, a.a.O.).

Die RL ist auch auf den Fall anwendbar, dass ein Unternehmen, das ein anderes Unternehmen mit der Durchführung von Arbeiten betraut hat, den Vertrag kündigt und die Arbeiten selbst übernimmt (EuGH, a.a.O.).

 

Unterrichtungspflicht

1. Ein Betriebsübergang aI!ein ste!It keine Betriebsänderung i.S. des 111 BetrVG dar. Eine solcheliegt aber dann vor, wenn sich der Betriebsübergang nicht im Wechsel des Betriebsinhabers erschöpft,sondern gleichzeitig Maßnahmen getroffen werden, welche einen oder mehrere Tatbestände des § 111 BetrVG erfüllen.

2. Bei einem Betriebsübergang muss der bisherige Arbeitgeber oder der neue Betriebsinhaber diebetroffenen Arbeitnehmer auch darüber unterrichten, dass der Betriebserwerber nur die beweglichenAnlagetei!e des Betriebs, nicht jedoch das Betriebsgrundstück übernimmt.

3. Die Unterrichtungspflicht nach § 613a V BGB stellt eine Rechtspflicht dar, deren Verletzung nach § 280 I BGB eine Schadensersatzpflicht des Unterrichtenden begründen kann. Der Arbeitnehmer, dersich auf eine unzulängliche Unterrichtung beruft, kann verlangen, so gestellt zu werden, wie er ge-standen hätte, wenn er richtig und vol!ständig informiert Worden wäre. Dafür muss er vortragen undbeweisen, dass ihm in Folge der mange!haften Unterrichtung der geltend gemachte Schaden entstan-den ist.

4. Genügt eine Unterrichtung formal den Anforderungen des § 613a V BGB und ist sie nicht offen-sichtlich fehlerhaft, ist es Sache des Arbeitnehmers, einen behaupteten Mange! näher darzulegen.Dem Unterrichtenden obliegt dann die Darlegungs- und Beweislast für die ordnungsgemäße Erfüllungder Unterrichtungspflicht.

(BAG, Urteil vom 31.1.2008 - 8 AZR 1116/06; NZA 2008, 642)

 

Besteht ein Widerspruchrecht auch bei gesellschaftsrechtlicher Gesamtrechtsnachfolge?

1. Bei gesellschaftsrechtlicher Gesamtrechtsnachfo!ge rückt der neue Rechtsträger in die Arbeitgeber-stellung ein, ohne dass es auf einen Betriebsübergang i.S. des § 613a I 1 BGB ankäme.

2. Wird eine Personengesel!schaft auf eine Kapitalgesellschaft verschmolzen, so liegt ein so!cher Fallder gesel!schaftsrecht!ichen Gesamtrechtsnachfolge vor. Es b!eibt unentschieden, ob darin ein Be-triebsübergang zu sehen ist. Dafür spricht a!!erdings, dass die Identität des Betriebsinhabers gewech-selt hat und dass dies rechtsgeschäftlich veranlasst worden ist.

3. Ein Widerspruchsrecht nach § 613a VI BGB gegen den Übergang eines Arbeitsverhä!tnisses inFo!ge Betriebsübergangs besteht in den Fällen nicht, in denen der bisherige Rechtsträger erlischt undder neue Arbeitgeber durch gesellschaftsrechtliche Gesamtrechtsnachfolge in die ArbeitsverhäItnisseejntritt.

(BAG, Urteil vom 21.2.2008 - 8 AZR 157/07; NZA 2008, 815)

 

Kann schon die bloße Auftragsnachfolge einen Betriebsübergang begründen?

Nach ständiger Rechtsprechung des BAG ist zwischen betriebsmittelarmen und betriebsmittelreichen betrieben zu unterscheiden.

Allein die Übernahme eines von der Bundeswehr vergebenen Bewachungsauftrags für einen Trup-penübungsplatz stellt keinen Betriebsübergang i.S. des § 613a BGB vom bisherigen Bewachungsun-ternehmen auf das neue dar. Bel einem Bewachungsuntemehmen handelt es sich regelmäßig umeinen betriebsmittelarmen Betrieb, so dass nur die Übernahme eines nach Zahl und Sachkunde we-sentlichen Tells der Belegschaft die Annahme eines Betriebs- (teil)Übergangs rechtfertigen würde. Wenn die Durchführung der Bewachungsleistungen auf dem von der Bundeswehr erteilten Auftragund der von ihr herausgegebenen Wachanweisung beruht, spricht auch die Ähnlichkeit der Tätigkeitdes alten und des neuen Auftragnehmers nicht für die Übernahme der bisherigen Arbeitsorganisation durch den neuen Auftragnehmer.

 

Kann die Ausübung des Widerspruchsrechts rechtsmissbräuchlich sein?

1. Die Ausübung des Widerspruchsrechts des § 613a Abs. 6 BGB kann im Einzelfallrechtsmissbräuchlich (§ 242 BGB) sein.

2. Der Widerspruch eines Arbeitnehmers gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf einenBetriebserwerber nach § 613a Abs. 6 BGB bedarf weder eines sachlichen Grundes, um wirksam zusein, noch muss er vom Arbeitnehmer begründet werden.

3. Wie jede Rechtsausübung kann auch die Ausübung des Widerspruchsrechts im Einzelfall rechts-missbräuchlich sein. Der widersprechende Arbeitnehmer verfolgt aber keine unzulässigen Ziele, wennes ihm nicht ausschließlich darum geht, den endgültigen Arbeitgeberwechsel zu verhindern, sondernwenn er nach dem Widerspruch dem Betriebserwerber den Abschluss eines Arbeitsvertrages zu fürihn günstigeren Bedingungen anbietet oder dem Betriebsveräußerer einen Aufhebungsvertrag, ver-bunden mit einer Abfindungszahlung, vorschlägt.

4. Jedenfalls dann, wenn der widersprechende Arbeitnehmer stets auf seinem Standpunkt beharrt,infolge seines Widerspruchs Arbeitnehmer des Betriebsveräußerers geblieben zu sein, verhält er sichnicht widersprüchlich, wenn er gleichwohl Arbeit für den Betriebserwerber verrichtet. Dies um so mehr,wenn ihn der Betriebsveräußerer unter Andeutung von Rechtsnachteilen, dazu ausdrücklich aufgefor-deft hat.

(BAG, UrteiI vom 19.2.2009 - 8 AZR 176/08; BeckRS 2009 62109)

 

Kann das Recht des Arbeitnehmers, dem Betriebsübergang zu widersprechen, verwirken?

1. Nur eine den Vorgaben des § 613a V BGB entsprechende Unterrichtung des Arbeitnehmers übereinen Betriebsübergang setzt für diesen die einmonatige Frist des 613a VI 1 BGB für einen Wider-spruch gegen den Übergang seines Arbeitsverh5lthisses auf den Betriebserwerber in Lauf.

2. Das Recht des Arbeitnehmers zum Widerspruch kann verwirken.

3. Eine Verwirkung des Widerspruchsrechts ist regelmäig dann anzunehmen, wenn der Arbeitneh-mer über den Bestand seines Arbeitsverhälmisses disponiert hat, z.B. durch den Abschluss einesAufhebungsvertrages mit dem Betriebserwerber.

4. Hat einer der beiden möglichen Adressaten eines Widerspruchs nach § 613a I BGB Kenntnis vonUrnständen, welche zur Verwirkung des Widerspruchsrechts führen, so darf sich auch der andereWiderspruchsadressat auf diese Umstände berufen. Insoweit werden der Betriebsveräußerer und derBetriebserwerber als Einheit behandelt.

(BAG, Urteil vom 2.4.2009 - 8 AZR 262/07; NZA 2009, 1149)

5.Wird ein Arbeitnehmer über einen Betriebsübergang informiert, der entgegen der tatsächlichenSachlage in der Vergangenheit stattgefunden haben soll, und erklärt er sein Einverständnis mit einemsolchen Betriebsübergang, so geht diese ErkIärung ins Leere. Sie stellt hinsichtlich eines später undanders stattgefundenen Betriebsübergangs weder einen Verzicht des Arbeitnehmers auf sein Wider-spruchsrecht noch ein für die Verwirkung desselben bedeutsames Umstandsmoment dar.

6. Dagegen stellt die Disposition über den Bestand des ArbeitsverhäIthisses - im Zusammenwirken mitdem Zeitmoment - einen verwirkungsrelevanten Umstand dar. Dies gilt um so mehr, wenn zugleich einneues ArbeitsverhäItnis mit einer Drittfirma begründet und von der Betriebserwerberin eine Abfindunggezahlt wird, die den gesamten Bestand des Arbeitsverhältnisses, auch die Zeit beim Betriebsveräußerer berücksichtigt. Derartige Umstände begründen regelmäßig das Vertrauen darauf, der Arbeit-nehmer werde ein etwa bestehendes Widerspruchsrecht gegen den Übergang seines Arbeitsverhält-nisses auf die Betriebserwerberin nicht mehr ausüben.

(BAG, Urteil vom 18.3.2010 - 8 AZR 840/08; BeckRS 2010, 71906)

 

Betriebsübergang und Transfergesellschaft

Durch den Abschluss eines dreiseitigen Vertrages wird § 613 a BGB jedenfalls dann nicht umgangen, wenn dem Arbeitnehmer für den Fall eines Wechsels in eine Beschäftigungsgesellschaft die Begründung eines Arbeitsverhältnisses mit einem Betriebserwerber nicht in Aussicht gestellt wird. Eine Teilanfechtung des dreiseitigen Vertrages, die ausschließlich auf die Beseitigung der Auflösung des bisherigen Arbeitsverhältnisses gerichtet ist, ist ausgeschlossen. Das LAG Hessen schließt sich damit an die jüngere Rechtsprechung des BAG (NZA 2012, 146) an, wonach Voraussetzung für die Gestaltung unter Einbeziehung einer BQG ist, dass der Arbeitnehmer endgültig und ohne verbindliche Einstellungsaussicht beim Erwerber ausscheidet. Schließlich sollen die Arbeitnehmer über etwaige Kaufinteressenten informiert werden, um spätere Anfechtungen des dreiseitigen Vertrages auszuschließen.

(LAG Hessen, 27.05.2013, 16 Sa 1187/12, GWR 2014, 137)